Mittwoch, 15. November
Gestern konnte ich doch tatsächlich das Sudantagebuch mit den Bildern in Rekordzeit von 45 Minuten im Afra Einkaufszentrum ins Internet stellen. Kein Signalunterbruch, nichts. Zurück ging's mit einem Tuktuk, die man in allen grösseren Städten im Sudan findet. Abfahrt heute um ca. ½ 8 Uhr. Nach 90km kommt die Ruf doch tatsächlich durch die Stadt Rufaa. Die Strecke ist mal wieder topfeben, doch es mehren sich die Ziegen-, Schaf- und Kuhherden. Nach etwa 250km wird die Gegend grün, dank Wasserkanälen. Die ersten Berge tauchen auf. Das gesamte Landschaftsbild verändert sich, zuerst steppenartig, dann auf 600m ü.M. erleben wir die Trockensavanne, die Korn- und Fleischkammer Sudans. Grosse Viehherden, riesige Anbauflächen. Die letzten 50 km fahren wir leider wieder auf unbequemen Naturpisten. Wir schlagen das Camp abseits der Piste auf. Während des Abendessens leuchtet es plötzlich so hell wie eine Silvesterrakete auf. Ein Sternschnuppe, die in der Atmosphäre verglüht ist!
Donnerstag, 16. November
Um 8.45 Uhr erreichen wir die sudanesisch-äthiopischen Grenze und nicht zu glauben, um 10.30 sind wir durch! Und das mit 6 Personen und 4 Fahrzeugen. Am äthiopischen Zoll wurde jeder einzelne unserer Pässe anhand von 2 handgeschriebenen Büchern überprüft, ob vielleicht einer auf der verbotenen Liste steht. Insgesamt fahren wir ca. 200 km an diesem Tag auf Naturpisten. Mal besser, mal schlechter. Und plötzlich eine nagelneue Teerstrasse. Wir kommen bis auf 2.240 m ü.M. Fantastisch. Dieses Land ist so schön! Bergig, grün, Agrikultur en masse und Viehzucht. Kaum zu glauben, dass Äthiopien so arm sein soll. Auf den Bergstrassen übergeben wir den Kindern unsere leeren Petflaschen, die von ihnen heissbegehrt sind. So können sie auf ihrem kilometerlangen Marsch zur Schule Wasser abfüllen und mitnehmen. Wir fahren nochmals 150km an diesem Tag und kommen bei Dämmerung in Bahar Dar am Tana See 1800m ü.M. an. Der See ist ungefähr 80km lang und breit, hat eine ovale Form und ist der Ursprung des blauen Nils. Wir campen im Garten des Hotels Ghion. Hier brauche ich am Abend doch tatsächlich einen Pulli.
Freitag, 17. November
Heute besuchen wir die Lake Churches. Mitten im Tana See gibt es etliche Inseln mit orthodoxen Klöstern. Mit dem Boot lassen wir uns dorthin bringen. Unterwegs kommt uns eine Armada von Papyrusbooten mit je einem Ruderer entgegen. Es ist Freitag und sie bringen ihr Holz von der Zege-Halbinsel zum Markt nach Bahar Dar und kehren am Samstag wieder zurück. Auf dieser Halbinsel liegt das Kloster Beta Maryam. Die Kirche, ein Rundbau, stammt aus dem 14.Jahrhundert und die Bilder, mit Szenen aus der Bibel, aus dem 19. Jahrhundert. Es ist sehr beeindruckend. Von dort umrunden wir das Kloster auf einem dschungelartigen Pfad und kommen zur Kirche Beta Giorgis, die infolge Baufälligkeit renoviert wurde. Die ehemaligen Könige vermachten bei ihrem Tode ihre Krone dieser Kirche, manche in Gold, Silber und Bronze und sind dort ausgestellt. Selbst Schriften über St. Georg stehen dort und – ach, Du lieber Gott – werden einfach in dieser Hitze ohne irgendwelche Vorsicht umgeblättert. Danach noch zur Kebram Gabriel Island Monastry. Diese Insel beherbergt ein Männerkloster aus dem 17.Jahrhundert. Frauen nicht erlaubt. Unten erwartet uns der Wächtermönch. Er lässt die Männer zum Kloster rauf und mich begleitet er in einen kleinen Hain, in dem wir uns angeregt unterhalten. Er ist schätzungsweise 35 bis 40 Jahre und lebt seit 15 Jahren auf dieser Insel (Umfang 3km). Er erzählt, dass noch 64 Mönche darauf leben und die meisten davon Malaria haben. Auf der Anhöhe der Nachbarinsel liegt das Frauenkloster Entos Eyesu Monastery. Hier sind männliche Touristen erlaubt. Wie alle anderen Kirchen, ist auch diese rund und mit farbenfrohen Bildern ausgestattet. Die Nonne zeigt uns danach noch den Inselgarten. Dort wachsen Zitronen, Orangen, Papaya. Bananen, Kaffeebohnen. Ein kleiner Garten Eden (wie auch die anderen Inseln). Die Vogelwelt an diesem See ist auch beeindruckend: Pelikane, Enten, Geier. Du sitzt im Hotelgarten und die Geier über dir, Vögel mit grossen Hornschnäbeln, usw.
Samstag, 18.November
Samstag ist Markttag in Äthiopien. Wir besuchen den Markt von Bahar Dar. Sehr imposant. Es ist kein Touristenmarkt und wir können in Ruhe die Stände mit den Gewürzen, verschiedenen Getreidesorten, Kleidern, Haushaltsgeräten, äthiopischen Stickereien bewundern, ohne wie in Ägypten dauernd belästigt zu werden. Um 14 Uhr fahren wir nach Gondar. Wieder die 2 Pässe überqueren, die uns schon auf der Hinfahrt fasziniert haben. Doch heute ist eine Völkerwanderung auf unzähligen Kilometern unterwegs. Die Menschen kehren von den verschiedenen Märkten zu Fuss und die Frauen teilweise mit zigkiloschweren Lasten auf dem Kopf in ihre weit entlegenen Orte zurück. Etwa 20 km nach Bahar Dar halten wir an einem Dorfmarkt an. Jeder hat seine kleine oder grössere Menge an Waren vor sich auf dem Boden liegen. Viele Frauen sind in der einheimischen Tracht und lassen sich zum Leidwesen von Werner nicht fotografieren. In Gondar kehren wir in der Pension Belegez ein, die einen geschlossenen Innenhof hat und nicht weit von den Schlössern (aus dem 17./18.Jahrhundert) und der Innenstadt entfernt ist. Da alle Zimmer belegt sind, campieren wir in unseren Autos. Am Abend gibt's Essen in einem typisch äthiopischen Restaurant. Schiro (Bohnenpürrèe) auf Injera (säuerlicher Riesenpancake aus Tef, einem einheimischen Getreide, sollte besser nicht ohne Beilage gegessen werden). Doch zusammen schmeckt es gut. Danach trinken wir Kaffee (Äthiopien hat den besten Kaffee) in einem einheimischen Lokal bei Bob Marley`s Reggae Musik. Er ist äussert beliebt in Äthiopien, hat er doch ihren Rasta-Look bekannt gemacht. Hier in Äthiopien findet man die Frauen auch in Lokalen. Nicht wie in den muslimischen Staaten, wo sie nichts zu sagen haben und total zugeknöpft rumlaufen müssen. Wie ihr merkt, mir gefällt es hier total. Ja, hier beginnt das richtige Afrika.
Sonntag, 19. November
Wir besuchen die Schlösser (jeder neue Herrscher hat sich ein eigenes Schloss neben das seines Vorgängers gebaut) und eine orthodoxe Kirche, die wegen der Deckenmalerei auch die sixtinische Kirche von Afrika genannt wird. Ein Mönch hat die gesamte Kirche in 4 Jahren bemalt. Drei einheimische Jungs begleiten uns. Den einen (taubstumm, sehr intelligent) hat Werner schon vor 3 Jahren bei seinem letzten Besuch kennen gelernt und er hat Werner sofort wieder erkannt. Am Abend besuchen wir eine Bar mit äthiopischer Life-Musik. Leider touristisch aufgemacht und muss nicht unbedingt wiederholt werden.
Montag, 20. November
Wir fahren nach Debark, um in den Simien Mountains zu trecken. Auf der Fahrt (wieder Schotterstrassen) machen wir auf 2.600m an einem Berghang einen Fotohalt und schon ist unser Auto wieder mit Kindern und Jugendlichen belagert. Nachdem sie herausgefunden haben, dass Werner Lehrer ist und auch Mathematik unterrichtet, kramt gleich ein Jugendlicher seine Hausaufgaben hervor und Werner hilft ihm unter dem Beifall der anderen die Algebra-Gleichung zu lösen. Die Gegend hier erinnert an den Hegau. Auf 2.900m beobachten wir wie Bohnenstauden mit Pferden gedroschen werden. In Debark mieten wir einen Guide und einen Scout, bezahlen die Parkgebühren und besorgen uns Zelte, die anderen auch Matratzen. Insgesamt zahlen wir für die 3 Tage im Park 700 Bir (ca.110.- CHF) Darin nicht enthalten sind die Kosten für die Pferde und ihre Führer, selbst die Packsäcke und die Seile zum Festschnüren der Säcke müssen wir extra bezahlen. In Begleitung der beiden Äthiopier fahren wir nochmals 32 km in den Nationalpark hinauf, vorbei an Gelada Baboons (Affen) Herden und einem Feld mit vielen Lämmergeiern und campen in Sankaber auf 3.250m. Es fängt an zu regnen, doch Gott sei Dank nicht so lange, und wir können auf dem offenen Feuer kochen. Ziemlich schnell ist unsere Feuerstelle von den einheimischen Scouts belagert und es entwickelt sich ein sehr netter Abend.
Dienstag, 21. November
Um 6 Uhr ertönt der Wecker, d.h. schwarze Vögel mit einem Hornschnabel und einem weissen Fleck am Hinterkopf lassen ihr lautes Gekrächze ertönen. Die meisten unserer Sachen werden auf den Rücken von 2 Pferden geladen, trotzdem wiegt mein Rucksack noch ein paar Kilos. Um 9 Uhr geht's los. Gleich nach dem 1. atemraubenden Aufstieg erleben wir einen atemberaubenden Ausblick auf die tieferliegenden Täler und Berge. Die meisten sind Tafelberge mit grünen Feldern drauf. Danach (schnauf, schnauf) weiter rauf und wieder runter und noch höher hinauf als zuvor. Ab jetzt fehlen uns die Worte, um die Schönheit dieser Region zu beschreiben. Wir passieren Baboons und einen Bauer, der auf ca. 3.400m seinen Acker am steilen Berghang mit einem einfachen Holzpflug und 2 Rindern pflügt. Auf der anderen Hangseite werden gerade die Getreidefelder (Gerste, Weizen und Hafer) geerntet, natürlich von Hand. Und immer wieder treffen wir auf 6- bis 8-jährige Ziegenhirten, die sich von einem Berghang zum anderen durch rufen und singen unterhalten und auch um uns zu beeindrucken, ihre Peitsche knallen lassen. Chalandamarz lässt grüssen. Uns geht immer wieder die Puste aus und so sind wir froh, als ein Freund von Fanta (unserem Scout mit Flinte) uns zu einer Kaffeezeremonie in sein Rundhaus in Geech Village einlädt. Die Wände dieser Häuser bestehen aus dünnen Holzstämmen mit Lehm dazwischen. In der Mitte des Hauses befindet sich die Feuerstelle und kleine Nischen und Regale wurden mit der selben Holz-Lehm-Technik erstellt. Bis wir den Kaffee bekommen, vergeht bestimmt eine ½ Stunde, denn zuerst müssen die Bohnen gewaschen und dann gestampft werden. Eine mühselige Arbeit, aber der Kaffee ist gut. Danach haben wir Gott sei Dank nur noch 15 min. bis zum Geech Camp auf 3.620m.Wir sind ungefähr 15km und 7 Stunden gewandert. Am Abend wird es empfindlich kalt, doch mein Schlafsack ist super.
Mittwoch, 22. November
Morgens ist alles mit Raureif überzogen. Es hatte bestimmt ein paar Minusgrade. Doch die Sonne wärmt uns ziemlich schnell. Heute laufen wir bis auf 3.926m zum Imet Gogo. Im Vergleich zu gestern ein Spaziergang. Doch die Sicht nach unten ist unbeschreibbar. 2000 –2500m nach unten. Die Gegend ist voll mit Lobelien. Und immer wieder die sensationelle Aussicht nach unten. Wer mich kennt, weiss, dass ich dann mindestens 1-2m Abstand (wenn möglich) vom Abgrund halte. Dann geht's weiter über ein Hochmoor und wir treffen auf eine ganze Kolonie Baboons, die friedlich vor sich hin fressen oder rumspringen. Leider wird das Wetter schlecht und die Wolken hüllen uns ein. Gegen 14 Uhr sind wir wieder im Camp. Am Anfang können wir nochmals etwas Sonne mit viel Wind geniessen, dann aber fängt es an zu regnen. So bleibt nur die Alternative im kleinen Zelt zu bleiben oder Unterschlupf in einer Rundhütte zu suchen, die allerdings nach allen Seiten offen ist. Brrh, ganz schön kalt. Doch ein kleines Lagerfeuer wärmt uns auch an diesem Abend etwas auf. Abwechslung bringen auch am Abend die Schakale und Hyänen, die durch's Camp streifen.
Donnerstag, 23. November
Heute marschieren wir wieder zu unseren Autos zurück, doch auf einem kürzeren Weg als vor 2 Tagen. Der erste Teil der Strecke führt uns wieder ins Geech Village. Dort erwartet uns bereits unser Gastgeber von vorgestern, dem Werner eine seiner Hosen versprochen hat. An Essen mangelt es den Menschen dort nicht, jedoch an Kleidung. Auf dem engen Bergpfad begegnen uns heute bestimmt über 100 Einheimische. Und statt mit einem "Grüezi", grüsst man sich hier mit einem "Salaam" und schüttelt jedem die Hand. Wie wir erfahren, ist jemand in Geech Village gestorben und die Leute kommen aus kilometerweit entfernten Dörfern und in ihren besten Kleidern zur Beerdigung. Der zweite Teil unserer Strecke gehen wir auf der Schotterstrasse und nicht mehr zu den wunderschönen, aber so anstrengenden Aussichtspunkten vom ersten Tag. Auf dieser Strasse werden wir um Hilfe gebeten. Ein junger Einheimischer hat sich den Fuss ganz schön aufgeschürft und wir können mit Wasser zum Reinigen, Pflaster und Socken aushelfen. Bereits nach 4 Stunden sind wir bei den Autos im Scoutcamp von Sankaber. Dort noch einen Kaffee bei einer Einheimischen trinken, alles ins Auto schmeissen und nach Debark ins Simien Park Hotel mit heisser Dusche.
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